Seit 2014 versucht der für Wissenschaft und Universitäten zuständige Wirtschaftsminister Vizekanzler Reinhold Mitterlehner die Studienplatzfinanzierung in Gesetzesform zu bringen. Warum dieser Versuch bis jetzt gescheitert ist und wann er endlich umgesetzt werden soll hat Michael Karjalainen-Dräger recherchiert. Nach dem Ministerrat am 1. April 2014 verkündete Reinhold Mitterlehner, dass die Finanzierung der Universitäten trotz des Hypo-Debakels nicht in Gefahr sei, das von ihm angestrebte und schon 2011 von der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) im Auftrag seines Ressorts entwickelte Modell einer flächendeckenden Studienplatzfinanzierung aber wohl verschoben werden müsse. "Da kann man durchaus für einen späteren Zeitpunkt die Abwicklung machen", so der Minister damals. Dieses würde über einen Zeitraum von 3 Jahren mit einem Betrag von 485 Millionen Euro zu Buche schlagen. Als frühesten Zeitpunkt für ein Inkrafttreten nannte Mitterlehner zum damaligen Zeitpunkt die Leistungsvereinbarungsperiode von 2016-2018. 2019 ist das neue Ziel Seither sind mehr als 2 Jahre ins Land gezogen und der zuständige Minister muss neuerlich eine Verschiebung ankündigen. Er strebe, so Mitterlehner kürzlich, den Start der Studienplatzfinanzierung im Jahr 2019 an. Dennoch ist Mitterlehner erneut zuversichtlich. Bei dieser Neuregelung der Finanzierung der Universitäten geht es um die Festlegung, wieviel Geld pro Studienplatz in einem bestimmten Fach zur Verfügung steht. Entscheidend für die Höhe der Mittel solle aber, so der Minister, nicht die Anzahl der Studierenden sein sondern die Zahl der Abschlüsse bzw. die Qualität des Studiums. Studienplatzfinanzierung braucht Aufnahmeregelungen Auch die uniko stößt ins gleiche Horn, was in den Worten von deren Präsidenten Oliver Vitouch so klingt: Das vorgeschlagene Modell "muss als Preismodell, das die unterschiedlich hohen Kosten pro Studienplatz je nach Fächergruppe abbildet, umgesetzt werden, und zwar auf Basis von prüfungsaktiv betriebenen Studien." Für Vitouch ist es zudem wichtig, dass es eine ergänzende Grundfinanzierung "unter Einschluss von universitärer Forschung, der Entwicklung und Erschließung der Künste und der Infrastruktur" gibt. Für den uniko-Präsidenten steht damit auch fest, dass damit die Installierung von flächendeckenden Aufnahmeregelungen verbunden sind. Dabei soll die Anzahl der AbsolventInnen plus ein gewisser, noch nicht näher definierter Prozentsatz als Basis für die neu zu vergebenden Plätze herangezogen werden. "Ziel ist, dass jede Anfängerin und jeder Anfänger das Studium auch mit hoher Wahrscheinlichkeit abschließen kann. Die mittelfristige Zielsetzung ist, bei entsprechender Finanzierungsbasis, eine Erhöhung der Zahl von Absolventen und Absolventinnen", so Vitouch, der aber gleich einschränkend anmerkt: "Nicht für alle Fächer, aber insgesamt!" Sowohl eine Studie der European University Association (EUA) als auch die Zahlen des zuständigen Bundesministeriums weisen auf eine weitere Verschlechterung des Betreuungsverhältnisses von 1 : 38,9 (im Jahre 2009/10) auf 1 : 42,5 (2014/15) hin. Daher ist für Vitouch klar: „Eine Studienplatzfinanzierung tut dringend not, um diesen Trend der fortschreitenden Verschlechterung umzukehren." Abkehr vom offenen Uni-Zugang - Protest von ÖH und Grünen Dass auf diese Weise der offene Zugang zu Universitäten Geschichte wäre, räumen sowohl Minister Mitterlehner als auch sein für die Hochschulen zuständiger Sektionschef Elmar Pichl ein. Dies Aussagen hatten - wie schon über all die Jahre - den sofortigen Protest der ÖH zur Folge. "Inzwischen wirkt es etwas redundant, wenn wir schon wieder darauf hinweisen müssen, dass einschränkende Aufnahmeregelungen die Zahl der Absolvent_innen nicht erhöhen, sondern besser ans Studierendenleben angepasste Curricula, sowie ein inflationsangepasstes und leichter zugängliches Beihilfensystem", meint Lucia Grabetz vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH). Grabetz zweifelt an der Wirksamkeit dieser Systemumstellung. "Natürlich werden Zugangsbeschränkungen am Papier bessere Betreuungsverhältnisse schaffen, nur übersehen wir dabei die Menschen, die vom Studium wegen dubiosen Aufnahmeregelungen ausgeschlossen werden und damit ohne gewünschte Ausbildung und Zukunftsperspektive zurück bleiben" so die ÖH-Vorsitzende. Sie fordert die Verantwortlichen vielmehr auf, den sozialen und wirtschaftlichen Schaden, den ein Sparen bei Menschen und Bildung verursache, abzuwenden. "Deshalb muss es endlich zu einer Ausfinanzierung des Hochschulsektors, sowie zur Inflationsanpassung der Studienbeihilfe kommen. Mit allen anderen Methoden verbauen wir nur jungen Menschen den Studienzugang und damit uns allen die Zukunft", so Grabetz abschließend. Die Wissenschaftssprecherin der Grünen assistierte der ÖH und forderte die Verantwortlichen auf, die geplante Studienplatzfinanzierung nicht zur StudentInnen-Abwehr zu gebrauchen. Sie erwarte " Maßnahmen, die die Treffsicherheit bei der Studienwahl erhöhen. Die Grünen schlagen dafür eine echte Studieneingangs- und Orientierungsphase, nach der die Studienwahl erfolgt, vor", so Maurer. Auf diese Weise wird das Thema wohl noch länger vor sich hinbrodeln. Und ob die Studienplatzfinanzierung dann 2019 tatsächlich kommt, weiß heute niemand. Zu diesem Zeitpunkt ist nämlich schon eine neue Regierung in Amt und Würden, und von Regierungsseite möglicherweise auch jemand anderer für die Unis zuständig. Tempora mutantur. uniko-Studie zu Finanzierungsmodellen universitärer Lehre Verbesserungen im ÖH-Wahlrecht und mehr Transparenz beim ÖH-Beitrag Am vergangenen Mittwoch beschloss der Österreichische Nationalrat die Novellierung des zuvor 2014 geänderten Hochschülerinnen- und Hochschülerschafts-gesetzes. Basis dafür waren umfassende Evaluierungen nach der ÖH-Wahl 2015, die das Wissenschaftsministerium gemeinsam mit allen Beteiligten durchgeführt hat. „Mit dieser Novelle erhöhen wir die rechtliche Klarheit für die ÖH-Wahlen im Jahr 2017 und reagieren vorsorglich auf aktuelle Entwicklungen rund um die Briefwahl", so Vizekanzler Wissenschafts-minister Reinhold Mitterlehner. Die Novelle war zuvor mit breiter Mehrheit aber ohne die Stimmen der FPÖ angenommen worden. Berücksichtigt wurden u.a. eine Erleichterung der Briefwahl und die Ermöglichung von vorgezogenen Wahltagen für Berufstätige und duale Studiengänge. Letzteres soll die derzeit geringe Wahlbeteiligung von rund 26 Prozent steigern helfen. Im Zusammenhang mit der Novelle wurde die ÖH verpflichtet, den Jahresvoranschlag und den Jahresabschluss samt dem schriftlichen Ergebnis einer Wirtschaftsprüfung auf ihrer Website veröffentlichen. Das ÖH-Gesetz im Wortlaut Bildungstelegramm
Die Zeit vergeht - doch gehen wir mit?
Ein Kommentar von Michael Karjalainen-Dräger Dass es mit den Unis so nicht weitergehen kann, ist ein ziemlich alter Hut. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass es jemals anders gewesen wäre. Die Stoßrichtung, in die Veränderungen gehen sollen, aber haben sich massiv verändert. Standen in der Zeit der SPÖ-Alleinregierungen noch die Maxime "Studium für alle" und eine diesbezügliche ausreichende Finanzierung der Unis im Vordergrund, hat sich die Ursachenbekämpfung seit den Zeiten kleiner und großer Koalitionen massiv gewandelt. Nun möchte man dem Problem damit beikommen, nur noch so viele Studierende zuzulassen, wie sich eben finanzieren lassen. Zusätzlich sollen die "prüfungsaktiven" Fächer bevorzugt werden. Das heißt, dass dort mehr investiert wird, wo junge Menschen ihr Studium in der Mindeststudienzeit absolvieren. Was dabei nicht bedacht wird, ist, dass sich die Studierenden ihr Studium meist nur leisten können, wenn sie nebenbei einer Erwerbsarbeit nachgehen. Das wiederum erschwert bzw. verunmöglicht den zeitgerechten Abschluss. Ein Teufelskreis. Die Zeiten ändern sich, doch die Forderungen und Lösungskonzepte bleiben da wie dort die gleichen. Es wird aber nicht anders gehen, als endlich die heiligen Kühe Zugangsbeschränkungen, Studiengebühren und Stipendiensystem zu schlachten. Länder wie die Schweiz, die Niederlande, Großbritannien und Finnland haben trotz der auf den ersten Blick durch Aufnahmeverfahren und/oder Studiengebühren widrigen Studienbedingungen eine nahezu doppelt so hohe AkademikerInnenquote als wir. Genauer hinschauen lohnt sich also. getbildung@karjalainen-draeger.at
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Dezember 2016
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