Am heutigen Mittwoch lud die Universität Wien zu einer Tagung mit dem Titel "Kinderrechte im Bildungsraum: propagiert - realisiert?". Dabei referierten am Vormittag Prof. Dr. Kerstin Rabenstein von der Universität Göttingen und Prof. Dr. Wilfried Schubarth von der Universität Potsdam. Die beiden kamen zu der gemeinsamen Erkenntnis, dass es um die Realisierung von Kinderrechten in Bildungseinrichtungen trotz zunehmender Bewusstheit noch schlecht bestellt ist. Eine Zusammenfassung von Michael Karjalainen-Dräger. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes wurde am 20.11.1989 von der Vollversammlung der UNO angenommen. Österreich hat diesen Beschluss drei Jahre später umgesetzt. Damit ist hierzulande die sogenannte Kinderrechtskonvention seit 1992 Gesetz und auch in der Verfassung verankert. Sie sichert jedem jungen Menschen von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr persönliche, wirtschaftliche und kulturelle Rechte zu. Die Tagung im Uni-Campus Wien versuchte, drei Zielen gerecht zu werden: zuerst galt es förderliche und abträgliche Rahmenbedingungen, Routinen und Praktiken in Familie, Kindergarten und Schule auf Basis von Forschungsergebnissen zu beleuchten; weiters wurden Good-Practice-Modelle vorgestellt; zuletzt sollten bestehende Kinderrechte-Initaitiven vernetzt werden. Wie Schule beschämt Kerstin Rabenstein, Professorin im Arbeitsbereich Schulpädagogik/Empirische Unterrichtsforschung und Schulentwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen, stellte auf Basis der von ihr durchgeführten Untersuchungen fest, dass Scham und Beschämung im Kontext Schule weit verbreitet sind, auch an jenen Bildungserinrichtungen, in denen Wertschätzung im Schulprofil verankert ist. Beschämung ist vor allem in den Bereichen Leistungsbeurteilung, Üben, Einzelgespräche bzgl. Förderung, bei der Kommunikation von mehreren PädagogInnen über SchülerInnen in deren Anwesenheit und im Sportunterricht gang und gäbe. Thematisiert werde diese Erfahrung aber kaum, da sie im Schulsystem als Tabu gelte. Rabenstein plädierte daher dringend für eine umfassende Reflexion der der Beschämung zugrunde liegenden Normen und Normalitätsvorstellungen, so etwa die Hinterfragung der in der Institution Schule geltenden Machtverhältnisse. Zudem ortete sie einen Zusammenhang zwischen diesen schulischen Normen und einer damit einhergehenden Entsolidarisierung und Vereinzelung der Betroffenen. Während Scham eine "conditio humana" sei, sei die Beschämung, aus der Scham oftmals erst entsteht, ein notwendigerweise aufzulösendes Tabu. Abschließend zitierte Rabenstein Focault: "Es ist normal, verschieden zu sein!" Gibt es einen Zusammenhang zwischen LehrerInnen- und SchülerInnengewalt? Wilfried Schubarth, Professor für Erziehungs- und Sozialisationstheorie an der Universität Potsdam., konstatierte in seinen Ausführungen, dass der Schule institutionelle Gewalt innewohnt. LehrerInnen werden als "höhere Gewalt" gesehen, was die bestehenden Vorstellungen von LehrerInnen- und SchülerInnen-Rollen verfestigt. Die schulische Kommunikation basiert demnach auf Hierarchie und Zwang. Im Vordergrund der sozialen Interaktion stehe dass "versteckte" Curriculum basierend auf Leistung und Konkurrenz, dass Inhaltliches oftmals überdecke. Aufgrund seiner Untersuchungen konnte Schubarth ferner herausfinden, dass es einen Zusammenhang zwischen LehrerInnen-Gewalt und SchülerInnen-Gewalt gibt. Umgekehrt lässt sich feststellen, dass es dann weniger SchülerInnen-Gewalt gibt, wenn die Verbindung zwischen Lehrenden und Lernenden gut ist bzw. wenn die Unterrichtsgestaltung schülerInnenorientiert abläuft. Schubarth folgert aus diesen Ergebnissen, dass es dringend geboten sei, die soziale Kompetenz von SchülerInnen und LehrerInnen zu fördern, dass LehrerInnengewalt enttabuisiert werden müsse, dass demokratische Schulkultur flächendeckend Einzug halten müsse und dass Demokratiepädagogik und Kinderrechte in der LehrerInnenbildung verankert werden müssen. Angesichts des zunehmenden Aufkommens von einfachen Verschwörungstheorien in der Gesellschaft, müsse jeder erkennen, dass da etwas falsch gelaufen sei, so Schubarth. Adornos "Auschwitz darf sich nicht wiederholen" gerät angesichts dieser Tatsachen leider immer öfter zu einer hohlen Phrase. Lesen Sie morgen: Good-practice-Beispiele aus Forschung und Praxis Ergebnisse der Tagung und nächste Schritte Tabus brechen - jetzt! Ein Kommentar von Michael Karjalainen-Dräger In der Zwischenzeit gibt es zahlreiche Studien, die den Zusammenhang zwischen der Institution Schule und Beschämung sowie deren strukturellen Gewalt, denen alle Beteiligten - also LehrerInnen, SchülerInnen und auch Eltern - alltäglich ausgeliefert sind, bestätigen. Es handelt sich also nicht nur um gefühlte Situationen sondern um wissenschaftlich nachweisbare. Und trotz dieser Erkenntnisse gelten beschämende und gewaltvolle Ereignisse in und durch die Schule oder Kindergärten nach wie vor als Tabu. Damit muss nun endlich Schluss sein! Geredet wurde und wird ja schon genug darüber, das Bewusstsein ist also längst geschaffen. Es gilt nun, sich zivilcouragiert und auf allen Ebenen für gewaltfreie und empathische Bildungseinrichtungen einzusetzen. Das wiederum wird nur dadurch gelingen, wenn Missstände schonungslos aufgedeckt werden und deren Ursachen verändert werden. Im Extremfall könnte das auch das Aus für die institutionelle Bildung bedeuten, da in dieser - folgt man den Institutionen- und ZivilisationskritikerInnen - das Gewaltvolle und Beschämende strukturell zutiefst verwurzelt ist. getbildung@karjalainen-draeger.at Bildungsneuigkeiten
Vorsitzwechsel Nachdem Eckehard Quin am GÖD Bundeskongress in den GÖD-Vorstand gewählt wurde, musste es statutengemäß zu einem Wechsel an der Spitze der AHS-Gewerkschaft kommen. Zum Nachfolger Quins wurde der bisherige stellvertretende Vorsitzende Mag. Herbert Weiß gewählt. In einer ersten Stellungnahme hielt der neue Vorsitzende fest, dass es keine Änderung in der inhaltlichen Linie der AHS-Gewerkschaft geben wird. Von der Dienstgeberseite erwartet Weiß den Respekt vor den gemeinsamen Positionen der Schulpartner wie Schulqualität, Wahlfreiheit und evidenzbasierte Schulpolitik. „Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit mit Bildungsministerin Sonja Hammerschmid", die dem neuen Vorsitzenden via Aussendung gratulierte. "Für pädagogisch sinnvolle Reformen wird sie in mir einen konstruktiven Partner haben", so Weiß abschließend. Tägliche Bewegungsstunde „Oft angekündigt und immer wieder verschoben, wird die tägliche Sport- und Bewegungseinheit an den Schulen endlich umgesetzt. Besonders wichtig ist, dass die Finanzierung steht. Es ist eine längst überfällige Maßnahme, die auch von uns Grünen lange und konsequent eingefordert worden ist. Wir werden die Details der Umsetzung genau überprüfen, damit die Bewegungsstunde auch wirklich in den Klassen ankommt – und zwar zusätzlich ohne sie vom Unterricht abzusparen", begrüßt der Klubobmann und Bildungssprecher der Grünen OÖ LAbg Gottfried Hirz diese Entscheidung. Fakt ist, dass die Lebenswelt der Kinder immer bewegungsärmer wird und sich die Bewegungserziehung dieser Herausforderung stellen muss: Kinder und Jugendliche leiden immer häufiger an Bewegungsarmut. Es steht außer Frage, dass der Schulalltag darauf entsprechend reagieren muss". Nein zu Studiengebühren Dass Rektor Tilman Märk zu Beginn des Wintersemesters 2016/2017 die Einführung von „sozial verträglichen Studiengebühren" fordert, ist für die ÖH Innsbruck nicht nachvollziehbar. Das österreichische Bildungssystem ruht auf einer Kreislauffinanzierung: Steuerbeiträge von Absolventinnen und Absolventen werden dazu verwendet, Ausbildungskosten der nächsten Generation zu tragen. Der oft herangezogene Vergleich österreichischer Unis mit ausländischen Unis, an denen Studiengebühren eingehoben werden, lasse außer Acht, dass diese Unis oft nicht staatlich sondern privat finanziert werden, kommentiert der ÖH Vorsitzende Walch (AktionsGemeinschaft). Weil Bildung durch Steuermittel finanziert wird, muss sie einen gewissen Standard gewährleisten. Studiengebühren bergen die Gefahr, Studieren unleistbar zu machen und dadurch gesellschaftliche Ungleichheiten festzuschreiben.
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Dezember 2016
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